Das Problem: „Wir finden keine Bewerberinnen“
von Dr. Marie-Theres Thiell
Dieses Thema ist ein Klassiker: Unternehmen müssen eine Führungsposition neu besetzen, und natürlich wird sie wieder mit einem Mann besetzt. Auf die Frage, warum das so ist, gibt es die Antwort: „Es gab keine Frauen, die sich beworben haben. Wir finden einfach keine Bewerberinnen.“
Dieser Satz fällt wirklich oft, und gleichzeitig leben wir in einer Zeit, in der viel über die sogenannte gläserne Decke geschrieben wird und Frauen selbst oft über mangelnde Aufstiegschancen klagen. Wie passt das zusammen? Viele Unternehmen möchten den Anteil weiblicher Führungskräfte erhöhen, sei es aus Einsicht, aufgrund gesetzlicher Vorgaben oder weil es von den Kunden gefordert wird. Doch wie findet man geeignete Kandidatinnen, wenn scheinbar keine verfügbar sind?
Die Notwendigkeit von weiblichen Führungskräften
Unternehmen kommen ohne die Ressource Frau heute nicht mehr aus. Sie brauchen dieses Potenzial auf dem Markt. Viele Aufgaben verändern sich auch, wodurch möglicherweise die Fähigkeiten weiblicher Mitarbeiter gefragter sind, z. B. in der Digitalisierung, bei Nachhaltigkeitsstrategien und veränderten Prozesse im Unternehmen.
Weibliche Mitarbeiter und Führungskräfte bringen die nötige Empathie mit, um diese großen Transformationen im Unternehmen umzusetzen.
Die richtigen Suchstrategien
Viele Unternehmen möchten weibliche Führungskräfte einstellen, haben nicht die richtigen Suchstrategien und diese geben diese Aufgabe dann einfach an einen Headhunter ab, der damit oft überfordert ist. Und es gibt so viele gute Frauen auf dem Markt!
Irgendwie kommen die fähigen Frauen auf dem Markt nicht mit den willigen Unternehmen zusammen. Das Matching funktioniert oft nicht.
Was ist zu tun?
Wenn ein Vorstand oder ein Entscheidungsgremium wirklich eine Stelle mit einer Frau besetzen möchte, dann müssen sie sich zusammensetzen und eine Longlist aus ihren Kontakten erstellen, d. h. aus ihren eigenen persönlichen Kontakten, aus den Kontakten anderer Führungskräfte, aus dem Kundenbereich, von Branchenverbänden, Netzwerken, wie dem Verband deutscher Unternehmerinnen oder Frauen in Aufsichtsräte sowie lokalen Netzwerken bei den Industrie- und Handelskammern. Sie müssen in ihre eigene Erfahrungswelt gehen, in ihre eigenen Kontakte!
Ein Beispiel aus der Praxis:
Ich habe ein Beispiel aus meiner eigenen Zeit als CEO der Budapester Stromversorgung.
Ein Energieversorger hat Netzregionen, die in der Regel mit männlichen Führungskräften besetzt sind. Und als wir in Budapest eine Netzregion teilen wollten, weil sie zu groß war, habe ich gesagt: „Jetzt ist es an der Zeit, dass eine weibliche Führungskraft die neu geschaffene Netzregion übernimmt. Wir suchen jetzt nach einer weiblichen Kandidatin.“ Und trotz langem Hin und Her – und die Personalabteilung kam oft zu mir und sagte: „Das geht nicht, wir finden keine“ – bin ich hartnäckig geblieben, und wir haben eine Frau gefunden.
Sie war zwar keine Elektroingenieurin, kam aber aus einem verwandten Bereich, dem Facility Management. Sie hat die Position übernommen, und den Kollegen, der in den Ruhestand ging – wir haben die Netzregionen anlässlich seines Ruhestands geteilt –, habe ich gebeten, die Kollegin an die Hand zu nehmen, sie fachlich zu begleiten und seine Anerkennung durch die Kollegen auf die junge Frau zu übertragen.
Und ich war vor Kurzem – die Besetzung war vor ca. sechs Jahren – wieder in Budapest und hatte ein Gespräch mit dem dortigen Energieversorger, und die Kollegin ist immer noch da. Das hat sich bewährt, es hat funktioniert!
Begleitung der weiblichen Führungskraft ist wichtig
Wenn Unternehmen auf diese Weise erfolgreich waren und wirklich eine weibliche Kandidatin gefunden haben, sollten sie dieser Kandidatin jemanden zur Seite stellen, der sie in den Unternehmensalltag einführt.
Damals war in meinem Beispiel ein technischer Kollege dafür zuständig. Das ist dann für die fachliche Seite. Aber ich glaube, es wäre auch hilfreich, dieser Kollegin für die ersten 100 Tage in der neuen Führungsrolle eine unternehmensexterne Begleitung zur Seite zu stellen.
Natürlich kann man sagen, dass es für Männer die gleiche Problematik ist. Die ersten 100 Tage sind immer schwierig, das stimmt. Aber Frauen werden in einer neuen Position stärker beäugt als männliche Kollegen. Da gibt es so manches Fettnäpfchen, in das “Frau” treten kann. Und da braucht man eine Begleitung, um zu besprechen, wie Frau mit der Situation umgeht. Die neue weibliche Führungskraft trifft vielleicht auf einen Kollegen, der die Position auch gerne gehabt hätten. Wie geht man damit um?
Da kann eine unternehmensexterne Begleitung sehr hilfreich sein.
Eine langfristige Nachfolgeplanung ist essenziell
Eine Nachfolgeplanung sollte immer langfristig sein und kann nur von Erfolg haben, wenn sie nicht kurzfristig ad hoc erfolgt. So wie man Nachfolgelisten in einem Unternehmen erstellt, das eine gute Nachfolgestrategie hat, ist es natürlich auch hilfreich, wenn die männlichen Entscheidungsträger sich gezielt und frühzeitig umsehen, welche Frau in ihr Team passen würde.
Es gibt ja genügend Branchentreffen oder auch LinkedIn, wo man Kontakte knüpfen kann und was ein Muss im Wirtschaftsleben ist.
Ich kann eigentlich nur jedem Kollegen raten, dies langfristig anzulegen. Ich erlebe aber auch männliche Führungskräfte aus meinem eigenen Netzwerk, die genauso vorgehen.
Nachfolge wird heute wirklich langfristiger gedacht, und ich kann auch nur den Kolleginnen raten, aktiv den Kontakt zu Kollegen der Wettbewerber zu suchen, z.B. bei Branchentreffen, und nicht immer nur in der Bubble der ihnen bekannten Kolleginnen zu bleiben.
Die Rolle von Netzwerken und Verbänden
Es ist völlig richtig und wichtig, dass es aktive Frauennetzwerke auf dem Markt gibt. Im Verband deutscher Unternehmerinnen z.B. können naturgemäß nur Unternehmensinhaberinnen oder weibliche Führungskräfte Mitglied werden.
Aber das Gespräch mit männlichen Kollegen ist natürlich nicht verboten. Und wir haben viele gemeinsame Veranstaltungen mit Männern. Der Verein Frauen in Aufsichtsräte ist beispielsweise auch für Männer als Mitglieder offen.
Des weiteren gibt es am Markt gemischte Netzwerke z.B. bei den Industrie- und Handekskammern oder bei Wirtschaftsclubs. Auch diese sollten von beiden Seiten – Unternehmen und Kolleginnen – aktiv genutzt werden.
Empfehlungen an Unternehmen und die weiblichen Kolleginnen
Sprechen Sie uns bei FEMALE SUCCESS an. Wir haben ein großes Netzwerk.
Und an die weiblichen Kolleginnen: Baut euer Netzwerk gezielt aus. Möglichkeiten dafür gibt es viele: Verbände, Tagungen und auch virtuelle Netzwerke wie LinkedIn. Dort kann man unkompliziert Kontakte knüpfen. Wenn ich jemanden treffe und mehr über ihn erfahren möchte, schaue ich als Erstes auf LinkedIn und Google ihn. An der Art und Weise, wie sich die Person dort präsentiert, kann ich sehr schnell einschätzen, mit wem ich es zu tun habe.
Dazu kommen heute die KI-Assistenten, die unbarmherzig alles zu der Person ausspucken, was öffentlich verfügbar ist. Also achtet auf Euren Fußabdruck im Netz!

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